Ich habe als Geselle rund 10 Jahre eine Backstube geleitet.Als Konsezionsträgerin war bei der zuständigen Handwerkskammer eine Meisterin eingetragen,die aber nicht aktiv im Betrieb mit gearbeitet hat.Sie bekam für ihren "Meistertitel&quo t; Geld, damit der Betrieb als "Konditorei" offiziell arbeiten konnte.
Und das ganze hat auch mit Wissen der zuständigen Handwerkskammer funktioniert (ich als Geselle habe selbst einige Male mit der Handwerkskammer zu tun gehabt, und es gab keine Probleme!).
Dies geschieht auch in Hunderten anderer Handwerksbetriebe (egal welcher Gewerke) in Deutschland.
Meister ist nicht gleich Meister!
Ich bin auch Stolz drauf, dass ich meine Kuchen und Torten OHNE Convienence herstellen kann.
Allerdings hängt dies ja auch von dem Betrieb ab, in dem man arbeitet, also von der Geschäftspolitik des Unternehmens (Sprich: "Weches Qualitäts-und Preisniveau wollen wir auf unserem Markt bieten?" / "Welche Zielgruppe sprechen wir an?".
Nicht jeder Meister (möglicherweise mittlerweise schon die wenigstens) sind heute in der Lage bzw. Willens ohne Convienence zu arbeiten (mal abgesehen von Marzipan und Fondant).
Grundsätzlich sollte, sofern möglich, jeder Handwerksbäcker/konditor OHNE Fertigmischungen *arbeiten.Was aber in der täglichen Praxis allerdings nicht immer zu 100 % umsetzbar ist!
Zurück zum Meister:
"Meister ist nicht gleich Miester" ... egal wie lange jemand im Beruf ist, wenn keine 100 % Identifikation und Liebe zum Beruf vorhanden ist, nutzt auch ein Meisterbrief nichts!!!
Ich habe schon eine Meisterin kennengelernt, die NICHT in der Lage war, mit Gelantine ihre Torten abzubinden (da sie vorher jahrelang mit Sahneständen gearbeitet hat)!
Oder den Fall, dass ein Meister seine Apfelfüllung mit Zitronenaroma/essenz würzt (und nicht wie Branchenüblich mit Fruchtsäure oder Zitronensaft).
Wenn die Produkte so schmecken (oder im schlimmsten Fall noch schlechter) wie von der Industrie, dann nutzt auch ein Meisterbrief nichts!
Defizite hat jeder Mensch, ist nur die Frage in welchen Bereichen, welchem Umfang und ob die betreffenden Personen dran arbeiten.
Ein Meistertitel ist KEIN Garant für Qualitätsprodukte und wirtschaftlichen Erfolg!
Eine Meisterprüfung gibt einen das nötige Rüstzeug, Hilfestellung aber keine Garantien für Erfolge.
Dazu sind die Anfoderungen bzw. Kenntnisse die man heute benötigt um ein Unternehmen erfolgreich zuführen einfach zu vielfältig.Da reichen die einmal erworbenen Kenntisse der Meisterprüfung nicht mehr aus.
Die Veränderungen am Markt verlaufen heute schneller als noch vor 20 Jahren.
Vor rund 4 Wochen war in der Fachzeitung "Konditorei & Café" zu lesen, dass in den nächsten 10 Jahren rund 1/3 der zur Zeit bestehenden Konditoreien vom Markt verschwunden sein werden.
Aber nicht, weil die Erzeugnisse der Betriebe nicht schmecken (die mehrheit dieser Betriebe dürfte vermutlich vorzeugsweise ohne Convienence bzw. nur im geringen Umfang arbeiten), sondern weil sich diese Betriebe den veränderungen des Marktes in anpassen können oder wollen.
Die Verzehrgewohnheiten der Kunden haben sich geändert, neue Trends (der Ladenbau orientiert sich heute vielfach an Wohntrends aus dem heimischen Bereich / ein Tipp: einfach mal im Internet die Seiten französischer, belgischer oder holländischer Betriebe anschauen!!!), auch heute gibt es immer noch uralt Cafés die keine Kaffee-Spezialitäten anbieten usw.
In anderen Handwerksbereichen sieht es ähnlich aus.
Die Anpassung an veränderten Marktverhältnissen bedeutet auch sich intensiver gedanken über Produkte/Sortiment und Marketing (auch und insbesondere übers Corporate Identity) zu machen. Es geht um die "Vermarktung" ; des Betriebes und der Produkte resp. Dienstleistungen.
Tolle Rezept und gut backen können reicht schon lange nicht mehr aus!
Hier liegt ein Defizit vieler Handwerksbetriebe!Da nutzt dann auch kein Meisterbrief etwas.
Kreativität und Wissen um die Vermarktung seiner Leistungen ist gefragt.
Es gibt genügend Beispiele dafür, dass vielfach "Seiteneinsteiger&qu ot; erfolgreicher sind als "alte Hasen".
Vielleicht auch gerade, weil sie nicht "Betriebsblind&qu ot; sind, weil sie in der Lage sind ihren Markt aus einem anderen Blickwinkel, nähmlich dem des Kundens, zu sehen!
Sie sehen quasi mit "den Augen der Kunden". Sie stellen sich so "provokante" Fragen wie, "Was möchte der Kunde?" , "Was sind seine Bedürfnisse?" , "Warum befriedigt die Konkurrenz nicht die Bedürfnisse der Kunden?" *usw. ....
Sie haben keine Scheuklappen vor den Augen, vielleicht gehen sie etwas unbedarft an die Sache ran und haben gerade deshalb (vielfach) mehr Erfolg als die "gestandenen Meister" ihres Faches.
Keine Frage, um ein möglichst hohes Qulitätsniveau bei den Produkten und der Ausbildung von Nachwuchs zu erzielen, kommt man nicht um eine/n guten Meister/in herum.
Nur sollte diese Person offen sein, sich regelmässig fortbilden und aufgeschlossen für neues sein.
Bei der Auswahl (egal ob jetzt regulär im Betrieb tätiger Meister oder "nur" als Konsezionsträger) sollte man schon sehr genau hinschauen.
Auch unter Meistern (auch wenn man etwas anderes für sein Geld erwarten darf), gibt es welche die ihre Arbeit nach Plan machen, damit sie die Stunden rumkriegen.
Ein Meisterbrief ist kein Grant für gute Produkte bzw. wirtschaftlichen Erfolg eines Betriebes!